Der Anspruch der Physik war es immer, die Welt bis ins kleinste Detail zu
beschreiben. Doch die Quantenphysik lässt dieses Weltbild an seine
Grenzen stoßen und eröffnet einen völlig neuen Blickwinkel.
„Ein Missionar des Mittelalters erzählt, dass er den Punkt gefunden hat, wo der Himmel und die Erde sich berühren …“ – Camille Flammarion: L’atmosphère, Paris 1888, Kolorierung: Hugo Heikenwaelder, Wien 1998.
Kaum etwas hat die Menschheit so sehr beschäftigt wie das
Licht. Ob es nun in der Bibel als Ursprung allen Lebens beschrieben
wird, den Philosophen der Antike als Symbol für absolute
Erkenntnis galt, wir einzelne historische Abschnitte als
„dunkles Zeitalter” beschreiben oder die Aufklärung mit „Erleuchtung”
gleichsetzen – beim Ringen um Wissen, Glauben
und unseren Platz im Universum war das Licht schon immer
eine gern genommene Metapher.
„Es werde Licht! Und es ward Licht.“ –
Altes Testament, Das erste Buch Mose
Zum Untersuchungsgegenstand wurde es allerdings erst mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften, insbesondere innerhalb der Physik.
Bis weit in die Neuzeit hinein war relativ unklar, was Licht eigentlich ist. Dessen wirkliche Erforschung
wurde erst durch ein Verständnis von Wissenschaft möglich, das in der frühen Phase der Aufklärung
seinen Ursprung hatte: Die Reduzierung von Beobachtungen auf einfache Gesetzmäßigkeiten, ein
Prinzip, das auch von Isaac Newton bei der Formulierung der klassischen Mechanik angewandt wurde.
„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält” –
Johann Wolfgang von Goethe
Jacques de Vaucanson schuf 1738 in Paris eine mechanische Ente, die mit Flügeln flatterte, Wasser trank und sogar einen Verdauungstrakt hatte. Sein Traum war es einen funktionierenden künstlichen Menschen zu erschaffen – Mechanische Ente, Jaques de Vaucanson, 1738.
Die klassische Mechanik gab Anstoß zu einem Weltbild, das ab diesem Zeitpunkt
auch das Verständnis von Kultur, Staatswesen, Gesellschaft oder Seelenleben veränderte.
Die Menschheit erlangte, losgelöst von religiösem Dogma und beflügelt durch
den Geist der Aufklärung, ein völlig neues Selbstbewusstsein. Denn wenn die Welt bestimmten
physikalischen Gesetzen folgt und die Menschheit in der Lage ist diese zu entschlüsseln,
würden sich irgendwann sämtliche Phänomene vollständig erklären und vorhersagen
lassen.
Mit der Aufklärung setzte so eine wissenschaftliche Suche nach Kausalität ein, die den Anspruch
hatte, alles zueinander in Bezug zu setzen – oder, wie es Goethe formulierte, herauszufinden, „was
die Welt im Innersten zusammenhält”.
Es ist eine besondere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet
zuerst das Licht dafür sorgte, dass dieses Bild zu Beginn des
20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Quantenphysik ins
Wanken geriet. Plötzlich gab es Theorien, die die zuvor in der
klassischen Mechanik und der Relativitätstheorie wurzelnden
Anschauungen unter bestimmten Voraussetzungen widerlegte.
An die Stelle der eindeutigen Bestimmbarkeit trat die
Unschärfe und an die Stelle der genauen Berechnung trat die
Wahrscheinlichkeit.
„Der Alte würfelt nicht” – Albert Einstein
Wiener Forscher spielen auf “Schrödingers Katze” mit verschränkten Photonenpaaren und einer Blende an. Die roten Photonen haben nie mit dem Objekt “interagiert”, zeigen aber die Katzenform – Patricia Enigl, IQOQI, Wien.
Denn wo vorher genau bestimmt werden konnte, wie sich ein
bewegliches Objekt – etwa ein Himmelskörper – verhalten
wird, lässt die Quantentheorie diese Bestimmung nur noch
mit der Hilfe von Wahrscheinlichkeiten zu. Ein Verständnis, das
die physikalische Zunft damals schockierte. „Der Alte würfelt
nicht”, so eines der bekanntesten Zitate von Albert Einstein,
der selbst wertvolle Beiträge zur Quantenphysik lieferte. Auch die Phrase ”spukhafte Fernwirkung“, die
sich auf das völlig neue Phänomen der Verschränkung bezieht, stammt von Einstein.
So viele Rätsel die Quantenphysik aufwarf, so offensichtlich ist ihr Nutzen: Im Alltag begegnet sie uns
in den meisten technischen Geräten, in elektronischen Halbleiterelementen und damit jedem Mikrochip,
in der Magnetresonanztomographie aber natürlich auch in Lasern oder Leuchtdioden. Die Quantenphysik
ist damit eine der am besten experimentell überprüften Theorien der Physik.
„Das Verständnis reicht oft viel weiter als der Verstand” – Marie von Ebner-Eschenbach
Dies führte allerdings noch nicht dazu, dass das Verständnis einer absoluten,
deterministischen Vorstellung der Welt und des Universums
in Frage gestellt wurde. Die Quantenphysik ist jetzt über 100 Jahre alt
und es ist sehr leicht viele gute Zitate von ihren Gründern aus der Zeit
ihrer Entstehung zu finden. In der heutigen Zeit ist ihr wirkliches Verständnis
allerdings auf Randbereiche der Physik beschränkt und hat
noch keinen wirklichen Zugang zu anderen Bereichen der Gesellschaft
erreicht. Es müssen deshalb schon junge Menschen mit diesen Phänomenen
in Berührung kommen und sie durch wirkliches „Begreifen“
verstehen. Dies ist der „Aufklärungsanspruch“ des Quantenkoffers.